Interview mit den Fraktionsvorsitzenden Anja Liebert und Marc Schulz (DIESE GRÜNEN, Nr. 96/ Oktober 2014)
Anja Liebert und Marc Schulz sind am 26.05.2014, dem Tag nach der Kommunalwahl, zu gleichberechtigten Fraktionsvorsitzenden der GRÜNEN Ratsfraktion gewählt worden. Seitdem hat sich der Rat konstituiert, die GRÜNEN stellen mit Bettina Brücher die dritte Bürgermeisterin, alle Gremien sind besetzt und die Fachausschüsse tagen nach einer halbjährigen Pause wieder. Wir wollen von beiden wissen, wie das GRÜNE Spitzenteam in die neue Ratsperiode gestartet ist und was die beiden vorhaben.
Wie ist eure Einschätzung zu den ersten Wochen nach der Wahl?
Anja Liebert: Na ja, leider hat sich die SPD nicht getraut, einen Politikwechsel in Wuppertal zu wagen, daher müssen wir als drittstärkste Fraktion jetzt in die Opposition. Wir wollen aber die Kooperation aus SPD und CDU beim Wort nehmen, was die Transparenz und Bürger*innenbeteiligung angeht. Schließlich wird die SPD bald ein eigenes Dezernat für dieses Thema besetzen. Warum dafür ein eigenes Dezernat geschaffen werden muss, verstehen wir allerdings nicht, denn für uns GRÜNE st Bürger*innenbeteiligung ein Querschnittsthema, das in allen Politikbereichen verankert sein muss.
Warum sind die Verhandlungen zur Bildung einer Ampel gescheitert?
Marc Schulz: Wir GRÜNEN haben im Wahlkampf zusammen mit der SPD für eine neue, rot-grüne Politik im Rat geworben. Dieses Versprechen hätte sich aus unserer Sicht selbstverständlich auch in einer gemeinsamen Kooperation niederschlagen müssen. Allerdings haben wir dann in den Gesprächen gemerkt, dass der SPD nicht daran gelegen war, eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu vereinbaren. Wir haben immer deutlich gemacht, dass wir für eine bloße Fortsetzung der Politik der großen Kooperation nicht zur Verfügung stehen, sondern für einen Wechsel hin zu einer sozialen, ökologischen und bürgerfreundlicheren Politik. Am Ende haben die Sozialdemokraten kalte Füße bekommen und sind den vermeintlich leichtesten Weg gegangen: Die Zusammenarbeit mit der CDU erscheint ihnen möglicherweise einfacher, weil nicht eine gemeinsame inhaltliche Politik, sondern personelle Fragen im Mittelpunkt stehen.
Was bedeutet es für euch, dass die GRÜNEN im Rat wieder in der Opposition sind?
Anja Liebert: Opposition heißt, Alternativen zur Politik im Rathaus zu entwickeln. Auch wenn wir uns eine Mehrheit mit deutlichen GRÜNEN Schwerpunkten gewünscht haben, nehmen wir diese Aufgabe gern wahr, da sie insbesondere gegenüber einer schwung- und ideenlosen Rathausmehrheit unverzichtbar ist.
Wie geht ihr mit den neuen Ratsmitgliedern von ProNRW um?
Marc Schulz: Alle Fraktionen haben bei der letzten Ratssitzung deutlich gemacht, dass wir in diesem Punkt große Einigkeit haben: Wir nutzen alle demokratischen Möglichkeiten, um den Vertreter*innen von ProNRW im Rat keine Bühne für ihre rechtsextremistische Ideologie zu bieten.
Welche Themen werdet ihr nach vorne bringen?
Anja Liebert: Wir werden natürlich weiter an den Themen arbeiten, die für die Zukunftsfähigkeit der Stadt wichtig sind: dem Miteinander der Generationen und Nationen, dem Klimaschutz auf lokaler Ebene, der Energiewende hin zu einer Region mit 100% erneuerbaren Energien, den Perspektiven für Kinder und Jugendliche. Daraus ergeben sich viele Handlungsfelder, die nicht immer am Veto des frisch wiedergewählten Kämmerers scheitern dürfen.
Was genau wollt ihr denn für Kinder und Jugendliche tun?
Marc Schulz: Die Betreuungsangebote sowohl für Kinder zwischen 0 und 6 als auch für Schulkinder müssen dringend weiter ausgebaut werden, da wir speziell im Bereich der U3-Betreuung NRW-weit im Vergleich sehr schlecht dastehen. Und wir wollen, dass innerhalb der dicht besiedelten Wohnbezirke in unserer Stadt noch ausreichend Spiel- und Freiräume für Kinder und Jugendliche bestehen bleiben. Familienfreundlichkeit bedeutet nicht nur die Ausweisung immer neuen Baulands für Einfamilienhäuser, sondern eben auch die Schaffung einer attraktiven, kinderfreundlichen Stadt mit vielen spannenden Angeboten und guten Schulen.
Und wie soll der Klimawandel gestaltet werden?
Anja Liebert: Das fängt bei der Verkehrswende an: bessere Bedingungen für Bus und Bahn, für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen bedeuten weniger Abgase, Lärm und Stau. Wir achten bei allen Verkehrsprojekten auf die Nachhaltigkeit. Auch beim Bau neuer Häuser und Wohnungen kann mehr für den Klimaschutz getan werden, durch ökologisches Bauen und kurze Wege. Dazu gehört ein Umdenken beim Thema Energieversorgung. Statt in ein Kohlekraftwerk zu investieren, sollten die WSW sich mehr um erneuerbare Energien und Energieeffizienz kümmern, auch um selbst zukunftsfähig zu bleiben.
Zum Schluss: Was hat die GRÜNEN bewogen, wieder eine Doppelspitze mit zwei Fraktionsvorsitzenden einzuführen?
Marc Schulz: Jede Fraktion gibt sich zu Beginn einer Wahlperiode eine Struktur, mit der sie glaubt, möglichst erfolgreich arbeiten zu können. Schon im Wahlkampf haben Anja und ich gemerkt, dass wir ein tolles Team sind, das auf Augenhöhe zusammenarbeiten kann. Die Doppelspitze ist daher folgerichtig, die Fraktion hat uns gemein- sam als Fraktionsvorsitzende gewählt, und uns beiden macht die Arbeit auch unglaublichen Spaß.