Rede in der Ratsitzung am 28.02.2005
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
meine Damen und Herren,
die Einführung von Elternbeiträge in der untersten Beitragsstufe der Offenen Ganztagsgrundschule steht den Zielen der OGGS diametral entgegen.
Das Ziel der Offenen Ganztagsgrundschule ist ein Bildungssystem, das nicht die Schwachen ausgrenzt, sondern sie so fördert, dass sie unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern eine Perspektive bekommen. Wir wissen heute, dass die Herkunft von Kindern leider viel zu häufig Auswirkungen auf ihre schulische und berufliche Weiterentwicklung hat. Die offene Ganztagsgrundschule bietet ihnen die Möglichkeit, aus diesem Kreis auszubrechen und eine ihren Fähigkeiten entsprechende individuelle und intensive Förderung zu erhalten. Des Weiteren bietet sie ein moderneres Verständnis von Schule: in diesem Sinne ist Schule eben nicht das Gegenteil von Freizeit. Sie ist ein Ort des Zusammenkommens, Zusammenlernens und Zusammenspielens.
Vor diesem Hintergrund ist eine sozial und finanziell unabhängige Teilnahme zu gewährleisten. Warum muten wir Eltern die Entscheidung zu, ob ihnen 15 Euro für die Betreuung ihrer Kinder angemessen erscheinen, wenn die Stadt selber nicht bereit ist, ihre Prioritäten in Richtung Bildung auszurichten? Viele Städte in unserem Umkreis haben dies richtig erkannt und deswegen zum Teil noch weitreichendere Befreiungen von den Elternbeiträgen vorgesehen, als das in unserem Antrag gefordert wird. So sieht die Stadt Essen für die Beitragsstufen sechs und fünf eine Befreiung vor. Niemand würde behaupten, dass die finanzielle Situation der Stadt Essen eine wesentlich andere sei, als die der Stadt Wuppertal. Nur wurden hier andere – und richtigere – Akzente gesetzt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in einer Pressemitteilung vom 17.02. wirft der schulpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, der Kollege Kühme, uns und der SPD im Zusammenhang mit der Diskussion um die Befreiung von den Kosten für die Mittagsverpflegung, wir sprächen den Eltern die Fähigkeit ab, ihre Kinder eigenverantwortlich zu erziehen. Herr Kühme, ich empfehle ihnen, einmal mit den Betreuungsvereinen hier in Wuppertal zu sprechen. Natürlich gibt es eine große Zahl von Eltern, denen ich die Fähigkeit, ihre Kinder eigenverantwortlich zu erziehen, nicht absprechen möchte. Und dennoch gibt es leider viel zu viele Kinder, die sich nicht darauf verlassen können, von ihren Eltern in angemessener Form unterstützt zu werden. Der Verein zur Betreuung von Kindern der Grundschule Liegnitzer Strasse, der mit hohem und bemerkenswertem Engagement in den letzten Wochen für die Beibehaltung der Beitragsbefreiung gekämpft hat, beschreibt aus eigenen Erfahrungen, dass 10-20 % aller Lastschriften für das Essensgeld wieder zurückliefen, weil auf den entsprechenden Konten kein Geld zur Verfügung stand. Das gleiche kann, als eine denkbare Konsequenz, schon jetzt für die Elternbeiträge angenommen werden. Die andere Konsequenz wird sein, dass die Zahl der Kinder aus sozial schwachen Familien nicht mehr zur OGGS angemeldet werden und somit nicht weiter in den Genuss der Vorzüge dieser Schule kommen können. Für die Kinder, die von der Entscheidung ihrer Eltern abhängig sind und keinen Einfluss auf deren Wahl haben, wohl aber mit den Konsequenzen zu leben haben, ist das eine überaus unangenehme Situation. Ich möchte Sie deshalb darum bitten, in diesem Punkt nicht so sehr das Wohl der Stadtkasse, sondern vielmehr das Wohl der Kinder in dieser Stadt bei ihrer Entscheidung in den Mittelpunkt zu rücken. Und zu guter Letzt: Die Folgekosten, die aus einer unzureichenden Erziehungsarbeit resultieren können, werden möglicherweise die Kosten übersteigen, die wir heute nicht bereit sind zu übernehmen, so dass wir die Probleme, wie auch in so vielen anderen Fällen, lediglich in die Zukunft verschieben.
In diesem Sinne möchte ich Sie darum bitten, für unseren Antrag im Sinne einer Entlastung der Eltern zu stimmen.