(Gastbeitrag für Sparrow – Das Online-Journal)
Ende Juli 2014 ereignete sich in Nordrhein-Westfalen ein Unwetter unfassbaren Ausmaßes: binnen weniger Stunden fiel in Münster und Umgebung so viel Regen wie sonst im Verlauf eines ganzen Sommers, 100 bis 150 Liter pro Quadratmeter. An einer Stelle wurden sogar 292 Liter Niederschlag gemessen. Ein Jahrhundertregen. Viele Menschen hatten noch lange mit den Folgen des Hochwassers zu kämpfen und auch die Kommunen mussten die beschädigten Straßen und Gebäude wieder auf Vordermann bringen. Das Land NRW griff damals den betroffenen Städten und ihren Bürgerinnen und Bürger mit einer Soforthilfe unter die Arme. Trotzdem ließ der politische Streit nicht lange auf sich warten: Oppositionsführer Laschet kritisierte die damalige Ministerpräsidentin Kraft, die sich zur Zeit des Unwetters im Urlaub befand, heftig dafür, dass sie es nicht für nötig gehalten hatte, eben diesen Urlaub zu unterbrechen, um sich vor Ort ein Bild von den Schäden zu machen. Dies wertete die CDU als Indiz dafür, dass Kraft im Amt abgehoben sei und sich nicht mehr für das Schicksal der Menschen interessiere.
Und nun Wuppertal: Ende Mai 2018 ereignete sich auch hier ein Unwetter, wie es seit Aufzeichnung der Wetterdaten in unserer Stadt noch nicht vorgekommen war. Die Folgen dieses Ereignisses lassen sich auch heute noch, also knapp eine Woche nach den Überschwemmungen, in der Stadt besichtigen: unterspülte Gehwege, aufgerissene und deshalb gesperrte Straßen und verwüstete Parks sind kein Einzelphänomen, sondern treten speziell im Tal an fast jeder Ecke auf. Hinzu kommt, was man nicht sehen kann: überflutete Keller, zerstörte Technik und überlastete (ohnehin in die Jahre gekommene) Abwasserkanäle. Wie hoch der Gesamtschaden für die Bürgerinnen und Bürger sowie für die Stadt sein wird, ist bis heute unklar. Die Stadt schätzt sie aber auf zweistellige Millionenbeträge.
Anders als seine Amtsvorgängerin begab sich Ministerpräsident Laschet, der sich nicht im Urlaub befand, am Tag nach dem Unwetter sofort nach Wuppertal, um sich vor Ort ein Bild über das Ausmaß der Zerstörung zu machen. Er hatte am Tag zuvor an der Gedenkveranstaltung zum 25. Jahrestag des Brandanschlags von Solingen teilgenommen, die aufgrund des Starkregens abgesagt werden musste. In Gesprächen mit betroffenen Bürgerinnen und Bürgern und Vertreterinnen und Vertretern der Stadt erklärte er, dass das Land sich wie 2014 solidarisch zeigen und sich für unkomplizierte und schnelle Hilfe einsetzen werde.
Gut, der letzte Teil der Geschichte ist erfunden. Folgerichtig wäre dieses Verhalten aber eigentlich aufgrund der hohen Messlatte, die er bei seiner Amtsvorgängerin angelegt hatte, angebracht gewesen. Stattdessen hörte man aus Düsseldorf tagelang nichts. Während Teile von Wuppertal im wahrsten Sinne des Wortes absoffen, herrschte Funkstille in der Staatskanzlei und am Tag darauf entschied sich der Ministerpräsident zwar dazu, beim Nachrichtendienst Twitter insgesamt fünf Tweets über das neue Streetscooter-Produktionswerk in Düren abzusetzen, aber keine einzige Mitteilung zu den Ereignissen in Duisburg, Aachen, Kleve und Wuppertal. Erst am Freitag vergangener Woche schaffte es immerhin ein Kabinettsmitglied, Innenminister Reul, ins Tal, hörte sich die Schilderungen der Feuerwehr und der Stadt an und erklärte dann, dass man zwar eine Landeshilfe für die Stadt prüfen wolle, dies aber abhängig sei von der Niederschlagsmenge und der Prüfung durch die Bezirksregierung. Für Private hingegen könnten Soforthilfen durch das Land gewährt werden. Dass dies auf der Grundlage einer Richtlinie seines Amtsvorgängers möglich ist, verschwieg er.
Als ich meine Enttäuschung über die fehlende Empathie der Landesregierung in einem Kommentar bei Facebook öffentlich machte, wurde mir vorgeworfen, das sei Wahlkampf-Rhetorik. Das Gegenteil ist der Fall. Politikerinnen und Politiker, die sich immer nur in Wahlkampfzeiten in Gummistiefeln durch Hochwasser kämpfen und ihre Solidarität und ihr Mitgefühl ausdrücken, sind vollkommen zu Recht verpönt. Das aber vor allem, weil man ihnen unterstellt, dass sie dieses Engagement in „Normalzeiten“, also außerhalb von Wahlkämpfen, nicht für so wichtig erachten. Offenbar berechtigter Weise, wie sich am Wuppertaler Beispiel ablesen lässt.
Wuppertal braucht finanzielle Hilfe zur Beseitigung der Unwetter-Schäden. Das ist keine Bettelei, sondern Fakt. Schon heute können wir die „normalen“ Schlaglöcher und kaputten Gehwege nur unzureichend in Stand setzen in Folge einer Landes- und Bundespolitik, die den Kommunen immer mehr Aufgaben aufhalst, ohne entsprechende Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Das gilt im Übrigen für alle Regierungen, gleich welcher politischen Zusammensetzung. Auch der von Rot-Grün eingeführte Stärkungspakt Stadtfinanzen, mit dem Städte wie Wuppertal zum ersten Mal seit langer Zeit wieder eine finanzielle Perspektive erhalten haben, verlangte harte Einsparungen der Kommunen. Geld für Maßnahmen gegen Hochwasser, zur Klimaanpassung oder nur für eine Elementarversicherung gegen Unwetter-Schäden? Fehlt! Wenn wir also mit den Auswirkungen des Ereignisses vom 19. Mai 2018 alleine gelassen werden, werden zwar die gröbsten Probleme behoben, die vollständige Beseitigung wird aber Jahre dauern und andere, genauso wichtige Aufgaben, in den Hintergrund treten lassen. Wenn das Land NRW jetzt versucht, die Erwartungshaltung der Stadt an finanzielle Unterstützung mit zurückhaltenden und technokratischen Äußerungen niedrig zu halten, ist das aus taktischer Sicht vielleicht nachvollziehbar. Dadurch wird sich aber keine Straße von selbst wieder instandsetzen und kein Keller wird von alleine trocken. Die Schäden sind da und sie werden noch größer, wenn sie nicht behoben werden. Wuppertal hat daher, wenn schon nicht die Aufmerksamkeit seines Landesvaters, dann zumindest die Unterstützung des Landes bitter nötig und auch verdient. Hoffen wir, dass die Stadt auf Landesebene noch ein paar einflussreiche Fürsprecher findet. Sonst stehen wir – im wahrsten Sinne des Wortes – mit unseren Problemen alleine im Regen.