Geschlechtergerechter Haushalt scheitert an CDU und SPD

Rede in der Ratssitzung am 19.06.2006

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

im Vorfeld der Beratung unseres Antrages gab es bereits eine Menge, teils qualifizierter, oftmals aber leider unqualifizierter Meinungsäußerungen, die von „Was soll das denn sein?“ bis hin zu „Was hat das mit NKF zu tun“ reichten. Zusammenfassend kann man wohl sagen, dass des Ex-Kanzlers Ausspruch vom „Gedöns“ für Alles, was mit Gleichberechtigung von Frau und Mann zu tun hat, bis heute viele Anhänger hat.

Ich möchte auf beide Reaktionen kurz eingehen:

„Was ist Gender Budgeting?“

In den vergangenen Jahren hat sich die Diskussion, Aspekte der Geschlechtergerechtigkeit bei Finanzhaushalten zu berücksichtigen, verstärkt und ist mittlerweile sehr viel konkreter geworden. Gender Budgeting ist Teil des Gender Mainstreaming in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, das vom Rat der Stadt Wuppertal vor zwei Jahren im Zusammenhang mit den Strategischen Zielen beschlossen wurde. Als Handlungsschwerpunkt der Förderung der Geschlechtergerechtigkeit wurde die Umsetzung von Gender Mainstreaming vereinbart.

Der städtische Haushalt ist nicht geschlechtsneutral, da er sich sowohl hinsichtlich der Einnahmen als auch der Ausgaben auf Männer und Frauen unterschiedlich auswirkt.

Alle bisherigen Erfahrungen zeigen, dass öffentliches Haushalten ohne Berücksichtigung der unterschiedlichen Auswirkungen auf Männer und Frauen – besonders dann, wenn wie in Wuppertal Sparzwang besteht – häufig zu Lasten von Fraueninteressen geht.

Um das Thema nicht zu abstrakt zu halten, nenne ich zwei Beispiele:

– Eine Kölner Initiative beschrieb 2004 geschlechtspezifische Auswirkungen von Sparmaßnahmen bei Stadtbibliotheken und Volkshochschulen. Danach wird die Zentralbibliothek vermehrt von Männern genutzt, während die Frauen eher die Stadtteilbibliotheken aufsuchen. Wer diese aus Einsparungsgründen schließt, benachteiligt in erster Linie Frauen.

– Ein weiteres Beispiel ist die Verkehrsplanung. Einsparungen im öffentlichen Personennahverkehr treffen überproportional Frauen, weil ‑ Frauen und Männer sind unterschiedlich mobil ‑ öffentliche Verkehrsmittel in erster Linie von Frauen genutzt werden. Frauen gehen auch häufiger zu Fuß als Männer und sind eher mit kleinen Kindern unterwegs. Sie verfügen im Alltag wesentlich seltener über ein Auto als Männer, haben aber gleichzeitig aufgrund der immer noch vorherrschenden geschlechtsspezifischen Rollenverteilung die Hauptverantwortung für die Koordinierung aller familiären Aktivitäten. Daraus ergeben sich geschlechtsspezifisch unterschiedliche Bedürfnisse und Anforderungen, zum Beispiel an das Angebot des öffentlichen Nahverkehrs.

Wir wollen sicherstellen, dass keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vorliegt. So zeigen bisherige Untersuchungen in der Schweiz zu Haushalten über mehrere Haushaltsjahre hinweg, dass z. B. Einsparungen stärker zu Lasten von Frauen als von Männern gingen.

Zum Schluss komme ich noch zu der Bemerkung: „Was hat gender budgeting überhaupt mit NKF zu tun?“

Ein wesentliches Ziel des Neuen kommunalen Haushalts ist die Steuerung über kombinierte Ressourcen- und Leistungsvorgaben. Er bietet uns eine Vielzahl von zusätzlichen Informationen, die wir zur Steuerung benötigen, so z. B. Ziele und Kennzahlen auf Produktbereichsebenen.

Damit Politik ein „geschlechtergerechtes Controlling“ vornehmen kann, benötigt der Rat auch aussagefähige Daten über die Verteilung der Haushaltsmittel, welche Ziele den Entscheidungen zugrunde liegen, welche Personengruppen betroffen sind und welche Wirkungen beabsichtigt sind. Eine Haushaltplanung auf der Grundlage qualitativer und quantitativer Daten u. a. zu Gender Budgeting erfüllt genau diese Anforderung. Beispielsweise kann das Produktziel „Ausbau des Mädchenanteils in de offenen Kinder- und Jugendarbeit“ ohne Schwierigkeiten mittels der Steuerung über Kennzahlen überwacht werden. Derartige Ansätze werden bereits im NKH der Landeshauptstadt Düsseldorf praktiziert, allerdings ohne Nennung des Begriffs „Gender Budgeting“ was vielleicht auch zum geringen Bekanntheitsgrad dieses Terminus technicus beiträgt. Was insgesamt fehlt, ist ein ganzheitlicher Entwurf. Wann, wenn nicht jetzt, wäre es angemessen, dieses ambitionierte Vorhaben in Wuppertal zu realisieren.

Als einen ersten Schritt in Richtung eines geschlechtergerechten Haushaltes bietet sich die Pilotphase des NKF in Wuppertal an.

Nicht zuletzt ist das wachsende Interesse von Frauen an dem Thema Gender Budgeting eine weitere Chance Bürgerinnen zu motivieren, sich mehr in das politische Geschehen einzumischen.

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wir unterstützen den Durchführungsbeschluss zum NKF ohne Wenn und Aber. Unser Ergänzungsantrag sieht lediglich vor, die Verwaltung möge prüfen, an welcher Stelle Gender Budgeting umsetzbar sein könnte. Ich kann darum keinen Grund erkennen, der außerhalb einer inhaltlichen Ablehnung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen liegt, unserem Antrag nicht zuzustimmen und bitte Sie um Unterstützung.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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